Nach einem langen Tag lässt du dich auf die Couch sinken. Du warst natürlich zu erschöpft, um etwas zu kochen und hast stattdessen eine Pizza in den Ofen geschoben. Nun versuchst du dich zu entspannen, obwohl dein Bauch fast schon zu voll dafür ist. Nach der ersten Folge deiner Lieblingsserie weicht dein Völlegefühl dem Appetit auf etwas Süßes. So geht es dir fast jeden Abend. Der Früchtejoghurt im Kühlschrank erscheint dir ein geeigneter und gesunder Nachtisch zu sein. Fünf Minuten später hast du den Becher ausgelöffelt, aber so richtig zufrieden bist du nicht. Dir fällt die Tafel Schokolade ein, die du neulich geschenkt bekommen hast.

Als du kurz darauf die leere Verpackung zusammenknüllst, hast du einen klebrig-trockenen Mund und löschst den Durst mit einem Feierabendbier. Dann bekommst du Lust auf einen salzigen Snack. Erdnüsse vielleicht? Anfangs nimmst du nur zwei, drei auf einmal, später legst du den Kopf in den Nacken und schüttest eine Handvoll in den Mund. Als du die letzten Nüsse aus der Dose geangelt hast, macht sich neben dem Völlegefühl auch dein schlechtes Gewissen bemerkbar.

"Ab morgen dann", nimmst du dir vor, "esse ich wieder weniger."

Du bist nicht allein

Heißhungerattacken plagen viele von uns, auch Patrick und mich. Früher hatte ich besonders abends zu kämpfen, wenn sich nach dem Essen der Appetit meldete und ich wieder und wieder zum Kühlschrank schlich. Süßigkeitenvorräte wurden mir oft zum Verhängnis. Auch tagsüber im Büro hatte ich oft Heißhunger. Obwohl ich gerade gefrühstückt hatte, machte sich der Hunger schnell wieder bemerkbar.

Heute habe ich nur noch sehr selten Heißhunger und brauche auch tagsüber keine Snacks zwischen den Mahlzeiten mehr. Zwischen damals und heute liegen fünf Jahre. In diesem Beitrag erfährst du, worin die Ursachen für meine Heißhungerattacken lagen und welche Strategien mir geholfen haben.

Meine Aussagen basieren auf meinen persönlichen Erfahrungen. Sie gelten nicht für jedermann, denn wir Menschen sind sehr individuell. Trotzdem können dich meine Tipps dazu inspirieren, deinen Heißhunger mit anderen Augen zu sehen und künftig effektiver bekämpfen zu können.

Ich glaube übrigens nicht an „Geheimnisse“ oder „Tricks“ gegen Heißhunger, sondern an ein Zusammenspiel vieler Faktoren, u. a. der Lebensweise, Ernährung und Bewegung. Heißhunger hat schließlich viele Ursachen.

Die Ursachen von Heißhunger

1. Zu wenig gegessen
Häufig ist von „Unterzuckerung“ die Rede, wenn wir zu lange nichts gegessen haben und dann in einer Hungerattacke geraten. Entweder liegt die letzte Mahlzeit zu viele Stunden zurück oder sie war nicht ergiebig genug. Beides begünstigt, dass der Hunger plötzlich und mit großer Wucht zuschlägt.

Auch heute spüre ich noch, wenn ich eine Mahlzeit auslasse oder sie zu lange zurückliegt. Auch wenn ich nur einen Snack, statt einer vollwertigen Mahlzeit, zu mir genommen habe, bin ich anfälliger für Heißhunger (und schlechte Laune).

2. Zu süß gegessen
Unser Blutzuckerspiegel steigt bei Mahlzeiten mit viel Zucker oder leicht verdaulichen Kohlenhydraten stark an und fällt danach rasch wieder ab. Der Hunger kehrt deshalb schnell und heftig zurück, wenn wir z. B. ein helles Brötchen, Toastbrot oder Nudeln gegessen haben.

Ich weiß noch, wie ich mich früher fragte, warum ich zwei Stunden nach einer großen Portion Nudeln schon wieder etwas zu essen gebrauchen konnte. Auch zwei oder drei Scheiben Brot mit Marmelade zum Frühstück sättigten mich nicht lange.

3. Zu wenig oder zu süße Getränke getrunken
Wenn wir zu wenig getrunken haben, verwechseln wir das Durstgefühl leicht mit dem Appetit auf etwas Frisches oder Süßes. Auch süße Getränke steigern unseren Appetit und lassen uns immer mehr wollen.

Ich trank zeitweise viel Apfelschorle, weil es sich gesund anfühlte. Jedoch enthält auch verdünnter Saft immer noch viel Zucker. Nur Wasser kann unserem Blutzuckerspiegel nichts anhaben.

4. Willenskraft erschöpft
Unsere Willenskraft ist wie ein Muskel. Morgens ist sie noch voller Energie, doch über den Tag hinweg lässt sie allmählich nach. Schließlich müssen wir uns schon den ganzen Tag über beherrschen: lächeln, freundlich sein, arbeiten, die Hausarbeit erledigen. Gerade abends laufen wir deshalb Gefahr, unseren spontanen Gelüsten nachzugeben.

Wie häufig nahm ich mir vor, nie wieder abends zu naschen. Doch der (Heiß-) Hunger kam mir oft dazwischen.

5. Müdigkeit
Schlafmangel schwächt uns zusätzlich. Die mangelnde Energie versuchen wir auszugleichen. Außerdem haben wir schlechtere Laune und erhoffen uns Aufmunterung durch ungesunde Snacks. Auch heute noch habe ich mehr Heißhunger, wenn ich wenig oder schlecht geschlafen habe.

6. Stress
Laut einer Umfrage macht sich Stress bei 20 Prozent der Menschen durch Heißhungerattacken bemerkbar. Wir sind nicht nur erschöpft, müde und willensschwach; sondern versuchen uns Entspannung über das Essen zu verschaffen. Dieser Reflex ist fatal, denn es ist ein Teufelskreis, aus dem viele nicht mehr leicht herausfinden.

Tipps gegen Heißhunger

1. Regelmäßig essen
Viele Menschen glauben, dass sie durch Hungern abnehmen können. Deshalb lassen sie Mahlzeiten aus und erlauben sich später ungesunde Belohnungen. Allerdings können wir unseren Körper nicht austricksen. Er schaltet bei Hunger auf Sparflamme und verbrennt weniger. Sobald er wieder mehr Energie bekommt, legt er Vorräte für schlechte Zeiten an. Der Abnehmversuch geht nach hinten los. Besser ist es regelmäßig zu essen. Nur so kann man Hunger- und Stimmungslöcher vermeiden.

Was regelmäßig bedeutet, muss jeder für sich herausfinden. Mir reichen drei große Mahlzeiten. Andere Menschen kommen mit vier bis fünf kleineren Mahlzeiten besser zurecht. Solange du gesund isst, brauchst du dir um deine Figur keine Sorgen zu machen, denn die Qualität der Nahrung entscheidet.

2. Ausgewogene, vollwertige Mahlzeiten
Ungesunde Snacks an Stelle einer Mahlzeit führen dazu, dass der Blutzuckerspiegel stark ansteigt und schnell wieder abfällt. Damit ist der Heißhunger vorprogrammiert. Besser ist es, vollwertige Mahlzeiten zu essen – so, wie sie unsere Großmutter kennen und mögen würde. Dazu gehört auch eine Fett-Komponente, denn sie sättigt und trägt zum Geschmack bei.

Statt Süßigkeiten oder ein Teilchen vom Bäcker zum Mittag zu essen, solltest du daher möglichst eine Kantine nutzen oder dir etwas Gekochtes von zu Hause mit ins Büro nehmen. Jede herzhafte, warme Mahlzeit ist wertvoller als ein Stück Kuchen oder ein Müsliriegel!

Bei mir rächen sich ungesunde Snacks nach wie vor. Beispielsweise lasse ich am Wochenende manchmal das Mittagessen ausfallen und esse stattdessen Kuchen zum Kaffeetrinken. Ein bis zwei Stunden später bekomme ich dann heftigen Hunger, der nach dem Abendessen noch spürbar ist. Daher bin ich an solchen Tagen gefährdet für Heißhungerattacken.

3. Keine Ablenkung
Der Fernseher oder andere Bildschirmen lenken uns davon ab, was wir essen und wie viel wir essen. Auch ich aß im Studium oft vor dem Laptop und brauchte danach noch einen Snack nach dem anderen. Heute esse ich langsam und bewusst am Esstisch. Nur so bemerke ich rechtzeitig, wann ich satt bin.

4. Gesunde Snacks
Bei akutem Heißhunger solltest du gesunde Snacks griffbereit haben. Wir empfehlen rohes Gemüse, Obst oder Nüsse, besonders Karotten, Kohlrabi oder Gurke. Gemüse zählt zu den „echten“, d. h. unverarbeiteten Lebensmitteln, und hat wenig Kalorien. Du kannst daher unbegrenzt viel davon essen, solange es dein Bauch gut verträgt. Außerdem haben kauintensive Gemüsesorten den Vorteil, dass sie die Kaumuskeln erschöpfen und somit für Sättigung sorgen. Ungesunde Snacks sind oft weich, weshalb wir kaum bemerken, wie viel wir davon schon gegessen haben. Wenn ich fünf Möhren hintereinander gegessen habe, weiß meine Kaumuskulatur, was sie geleistet hat!

5. Wasser trinken
Kurzzeitig kann ein Glas Wasser gegen akuten Heißhunger helfen. Es füllt den Magen und lenkt dich für ein paar Minuten ab. Außerdem prüfst du somit, ob du Hunger und Durst verwechselst.

Ich aß früher manchmal einen Joghurt (und dann noch einen), weil ich meinen Durst mit Hunger verwechselte. Auf „etwas Frisches“ hatte ich Lust. Nach ein oder zwei Gläsern Wasser hätte ich das oft anders gesehen.

Falls dir pures Wasser zu langweilig ist, kannst du Tiefkühlfrüchte, (Bio-) Zitronen- oder Limonenscheiben für den Geschmack hinzugeben. Patrick und ich mögen außerdem die Kombination aus Gurke und Minze.

6. Gesunde Snacks statt Süßigkeitenvorräte
Sorge dafür, dass du etwas Gesundes essen kannst, wenn der Hunger kommt. Verlasse dich außerdem nicht auf deine Willenskraft, denn die schwächelt bekanntermaßen, wenn sich der Tage dem Ende zuneigt. Süßigkeiten, die du nicht im Haus hast, können auch nicht in deinem Mund oder auf deinen Hüften landen.

Patrick kann bis heute keine Süßigkeiten zu Hause lagern, denn er würde sie schnell aufessen. Mich lassen die Vorräte inzwischen kalt – aber auch nur, wenn ich sie nicht ständig sehe, sondern sie aus meinem Blickfeld räume.

Weitere Tipps gegen Heißhunger, die nichts mit Essen zu tun haben

1. Warte 15 Minuten
Unser Appetit geht wieder, wenn wir ihm die Chance dazu geben. Oft braucht es nur eine Ablenkung, damit wir unseren Appetit wieder vergessen. Es hilft daher, 15 bis 20 Minuten abzuwarten und dann zu entscheiden, ob der Snack sein muss. Ich überbrücke diese Zeit gern mit einem Anruf, einem Buch oder einem YouTube-Video.

2. Zähne putzen
Anfangs ist es schwer, dem abendlichen Nasch-Drang zu widerstehen. Es kann helfen, sich die Zähne zu putzen, denn man müsste sie nach der Schokolade nochmal putzen! Außerdem hemmt die Pfefferminze in der Zahnpasta den Appetit.

3. Hobby
Wenn Heißhunger aus Müdigkeit oder Langeweile entsteht, hilft ein Hobby, das Spaß macht. Es kommt auf deine Vorlieben an, was dir Freude macht: eine Serie, ein Puzzle, Häkeln, ein Instrument spielen. Im Idealfall findest du etwas, bei dem du ein Flow-Gefühl empfindest, dich vertiefst, die Zeit und deinen Heißhunger vergisst. Ich kann mich bei der Arbeit an einer Website so vertiefen, dass ich jeden Appetit vergesse. Gleichzeitig macht es mich zufrieden.

4. Mehr Bewegung
Wenn wir den ganzen Tag auf Achse sind oder einer körperlichen Betätigung nachgehen, spüren wir kaum ein Hungergefühl. Das liegt daran, dass Bewegung den Appetit hemmt. Daher ist es wichtig, sich möglichst jeden Tag zu bewegen und mehrmals in der Woche Sport zu treiben. Hier erfährst du mehr darüber, wie du dich zum Sport motivieren kannst.

5. Tagebuch führen und Ursachen angehen
Wenn du deinem Heißhunger häufig nachgibst, obwohl du keinen Hunger hast, kann dir ein Ernährungstagebuch helfen. Darin notierst du, wann und warum du gegessen hast. So wird dir bewusst(er), wie oft du aus falschen Gründen isst, z. B. weil du dich langweilst, einsam bist oder eine Aufgabe aufschiebst.

Ich habe solche Notizen schon mehrmals im Leben gemacht. Heute erkenne ich daher besser, wann ich ein Problem lösen sollte, statt es mit Essen zu kompensieren.

Wenn die Ursachen für Heißhunger tiefer gehen

Manchmal ist (Frust-) Essen ein Symptom für tieferliegende Probleme. Abendliche Fressattacken sind dann vergleichbar mit einem Eisberg. Die von außen sichtbare Spitze macht bekanntermaßen nur 10 Prozent des Eisbergs aus.

Diättipps in Zeitschriften und im Internet vernachlässigen diesen Aspekt oft. Sie suggerieren, dass wir leicht unser Essverhalten ändern können, doch wir sind Gewohnheitstiere und kratzen mit oberflächlichen Tipps und Tricks nur an der Spitze herum. Langfristig werden wir nur Erfolg haben, wenn wir uns mit den tieferliegenden Themen befassen.

Manchmal knabbern wir an alten Verletzungen, Konflikten, Enttäuschungen oder unerfüllten Träumen. Ein Beispiel dafür sah ich kürzlich in der Netflix-Dokumentation „I Am Not Your Guru“ über ein Live-Seminar mit Tony Robbins. Eine Szene zeigt den Bestsellerautor und Self-help-Experten im Gespräch mit einer schlanken, jungen Frau. Im Beisein Hunderter Teilnehmer fragt Robbins sie, warum sie hier sei. „Ich will meine Ernährung verbessern“, lautet ihre Antwort. Sie esse gerade abends zu viel, fühle sich dann nicht gut und esse daher noch mehr.

Wer an dieser Stelle Fragen und Tipps in Bezug auf ihre Essgewohnheiten erwartet, liegt falsch, denn Robbins befragte sie daraufhin zu ihrer Vergangenheit, ihren Beziehungen und ihrer Lebenseinstellung. Er will wissen, wie sie zu ihren Eltern stehe und worin für sie der Sinn des Lebens liege.

Im Gespräch (das in dem Video stark gekürzt ist) wird immer deutlicher, womit die junge Frau wirklich kämpft. Sie ist sofort zu Tränen gerührt, denn sie fühlt sich minderwertig. Sie sehnt sich nach der Liebe ihres Vaters, zu dem sie seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr hat. Die Fressattacken sind ein Ersatz für seine Aufmerksamkeit und ein oberflächliches Problem, das sie vorschiebt.

Tony Robbins und seine Seminare mögen umstritten sein, doch seine Menschenkenntnis beeindruckt mich tief. Er motiviert die Frau dazu, den Kontakt mit ihrem Vater zu suchen, was diese daraufhin auch tut. Es ist für sie eine Erlösung und möglicherweise ein Schritt weg von ihrem Essproblem.

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass das Essen nicht immer das eigentliche Problem ist. Manchmal liegen die Baustellen in einem ganz anderen Bereich.

Mir hat es geholfen, diese Probleme anzugehen. Parallel dazu habe ich meine Ernährung umgestellt. Gesundes, regelmäßiges Essen in ausreichenden Mengen sowie regelmäßige Bewegung helfen mir, ausgeglichener zu sein und seltener aus den falschen Gründen zu essen.

Vielleicht weißt du in der Theorie alles über gesunde Ernährung, wirst aber aus Erschöpfung, Frust oder Prokrastination regelmäßig schwach. In jedem Fall lohnt es sich, genau hinzuschauen, die wahren Ursachen herauszufinden und die o. g. Tipps auszuprobieren.

Übertreibe es aber auch nicht, denn so manche Optimierung kann in eine Essstörung abdriften. Dann solltest du ggf. professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Über Jasmin Schindler

Foto: Healthy Habits Jasmin Schindler ist Bloggerin bei Healthy Habits und Autorin von Büchern wie „Esst echtes Essen!“ und „Abgespeckt“. Beruflich wie privat beschäftigt sie sich mit Themen rund um eine gesunde Lebensweise.

Jasmin hatte die meiste Zeit ihres Lebens mit ihrer Figur zu kämpfen. Es hätten in ihren Augen stets ein paar Kilos weniger sein sollen. Sie wollte gern so schlank sein wie andere Gleichaltrige, doch viele Versuche abzunehmen zeigten keine Wirkung. Deshalb stehen die Themen Ernährung und Selbstwertgefühl im Mittelpunkt vieler ihrer Texte. Sie glaubt nicht an Diäten, sondern an Gewohnheiten. Diese sollten wir alle in unseren Alltag integrieren, um auf Dauer schlank und gesund zu bleiben. Frische Lebensmittel und der weitgehende Verzicht auf zugesetzten Zucker sind dabei von zentraler Bedeutung. Unser Essen sollten wir lieber selbst kochen, statt auf Fertiggerichte zurückzugreifen – so die Philosophie von Jasmin und ihrem Blogger-Kollegen Patrick Hundt.

Der Blog Healthy Habits dreht sich um gesunde Gewohnheiten in allen Bereichen des Lebens. Statt nach geheimen Tricks, Wundermitteln oder Abkürzungen zu suchen, empfiehlt Jasmin nachhaltige Routinen für die alltägliche Bewegung, den regelmäßigen Sport, aber auch für alles, was das emotionale Wohlbefinden sowie die persönliche Weiterentwicklung fördert. Da immer mehr Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen und sich erschöpft fühlen, sind Themen wie Gelassenheit, Glück, Freiheit und Beziehungen zunehmend wichtig. Über genau diese Themen schreiben Jasmin und Patrick bei Healthy Habits sowie hier bei Generali Vitality.